Die stilgebende Handschrift des Parfumeurs
Jean Louis Scherrer war ein Feingeist. Nicht im Sinne distinguierter Zurückhaltung, sondern vielmehr in der - gegenteiligen - Ausprägung detailbesessener Kunstfertigkeit. Seine Kollektionen haben keine rebellischen, revolutionären Trends gesetzt, er "verfeinerte" klassische Schnitte, interpretierte Vorhandenes in stilgebender Unverkennbarkeit neu. Seine Couture präsentierte sich wie ein Feuerwerk aus exquisiten Stoffen und edelsten Materialen. Er liebte Samt, Seide, Pelz - und Perlenbesatz, Handstickereien, verschwenderische Verzierungen. Nie jedoch geriet ihm die aufwendige Ausstaffierung zum Selbstzweck, sie blieb stets dem Ziel der Darstellung individueller, weiblicher Schönheit verhaftet. Scherrer wollte eigentlich Ballett-Tänzer werden, musste seine Ausbildung aufgrund eines Unfalls jedoch abbrechen.
Die Ästhetik des Tanzes und die Anziehungskraft, die die Welt der Kostüme auf ihn ausübte, prägten nachhaltig seine Handschrift. Schon früh trug sich der ehemalige Assistent von Christian Dior und zeitweilige Arbeitskollege von Yves Saint Laurent mit dem Gedanken, seine exquisiten Modekollektionen mit kongenialen Parfums zu ergänzen. Die Düfte sollten sich wie seine Couture verhalten: Im Grunde ihres Wesens eine klassische Basis tragen, auf der eine atemberaubende, spektakuläre Fassade errichtet werden konnte. Jean Louis Scherrer Scherrer war der erste Duft, den der Designer 1979 lancierte und der genau diesem Anspruch Tribut zollte: Klassisch war (und ist) der Aufbau des Duftes als Chypre, überschwänglich dagegen seine Opulenz und die Reichhaltigkeit der Essenzen. Das Arrangement ist Ergebnis der akribischen Feindosierung der Inhaltskomponenten - genau wie bei den Kunstwerken seiner mit fast mikroskopisch kleinen Perlen bestückten, handgefertigten Couture-Stickereien.